DER 12. FEBRUAR 1934

Dieser Text entstand heute vor 10 Jahren, also anläßlich des 80. Jahrestages der Ereignisse um den 12. Februar. Er ist im Großen und Ganzen noch immer aktuell, ja hat sogar noch an Aktualität gewonnen, in Anbetracht eines Innenministers, der über die Rechtmäßigkeit des Rechtsstaates nachdenkt.

Ergänzend muss man erwähnen, dass Karl Nehammer sich mittlerweile von Dollfuß offen distanziert hat. Er ist der erste ÖVP-Chef, der das geschafft hat.

Ich äußere mich wieder einmal historisch. Nachdem es heuer, 80 Jahre her ist, dass in Wien Polizei und Bundesheer, sowie die faschistischen Heimwehren auf Arbeiterheime schossen und mich dieses Thema schon ziemlich lang begleitet, möchte ich hier wieder einige Gedanken von mir geben.

Als ich mich das letzte Mal mit dem Thema beschäftigt habe, war ich noch Vollblutlinker, da hat sich mittlerweile ein bisschen was getan. Wenn man die Welt kritisch betrachtet (und als Kabarettist bleibt mir da wenig über), dann lässt sie sich nicht einseitig analysieren. Man gewinnt durchaus einige Einblicke, die einem den politischen Gegner verständlicher machen.

Was den 12. Februar angeht muss ich allerdings gestehen, dass ich da noch immer nicht objektiv sein kann. Denn so objektiv ich es betrachte, ich kann kein Verständnis für eine Regierung aufbringen , die erst alle demokratischen und viele soziale Errungenschaften mit Tricks und Spielereien beseitigt und dann den letzten tapferen Rest, der sich dagegen wehrt, mit Kanonen und Maschinengewehren niederwirft, auch Gemeindebauten mit Frauen und Kindern drin nicht verschont und dann noch Schwerverletzte auf den Würgegalgen schleift.

Was ist passiert? 1918 brach die Habsburgermonarchie zusammen und es gab in Österreich so was ähnliches, wie eine Revolution. Also Arbeiterinnen und Arbeiter organisierten sich, bildeten Räte, übernahmen die Kontrolle über Fabriken und Kasernen und waren drauf und dran ein neues System zu bilden. Dabei vertrauten sie allerdings nach wie vor auf ihre Sozialdemokratie. Die KPÖ war damals nur eine kleine Splitterpartei, wo einige hochmotivierte Menschen über die Revolution diskutierten (ein Schelm wer da eine Ähnlichkeit zur heutigen KPÖ erkennen will).

Und die SDAPÖ (Sozialdemokratische Arbeiterpartei Österreichs – so hießen die Sozialdemokraten damals) waren durchaus motiviert, allerdings trauten sie sich nicht Revolution zu machen, sondern wollten alles innerhalb des Parlamentarismus erledigen. Nachdem sie die Wahlen gewonnen hatten, bauten sie auch tatsächlich eine Gesellschaft mit einigen wesentlichen Grundrechten auf (Vieles davon ist heute noch geblieben und sollte auch gegen Angriffe verteidigt werden). Na ja und dann zerstritten sie sich mit dem Koalitionspartner Christlichsoziale (die Schwarzen kündigten damals schon gerne Koalitionen auf) und gingen in Opposition.

Ab da gab es halt nur noch bürgerliche Regierungen, die alles wieder rückgängig machten, was sie rückgängig machen konnten. Faschistische Wehrverbände, wie die Heimwehr, die sich 1930 im Korneuburger Eid offen zur Diktatur bekannte, unterstützten die Regierungen als Streikbrecher und mit antisozialistischem Terror. Ein Justizsystem hatte sich entwickelt, dass Kindermörder freisprach, wenn sie nur auf der bürgerlichen Seite waren. Dagegen protestierende Arbeiterinnen und Arbeiter wurden am 15. Juli 1927 dagegen mit Gewehrsalven beschossen. Übrigens spielte sich das so ab. Im Zuge der Zusammenstöße hatten einige Demonstranten den Justizpalast angezündet und die Polizei schoss auf alles was sich bewegte, vor allem auf Leute, die Hilfe für Verwundete holen wollten. Da drängen sich doch gewisse Assoziationen zum Akademikerball auf. Auch dort wurden ja nicht gerade die Krawallmacher verdroschen, sondern die friedlichen Demonstranten.

Na ja und 1932 wurde dann Engelbert Dollfuß christlichsozialer Bundeskanzler. Seine Körpergröße, die nicht allzu hoch war, dürfte vielleicht dazu beigetragen haben, dass er unbedingt volle Macht wollte. Oft stecken ja hinter Diktatoren durchaus einfach Komplexler. Und so schaltete er Schritt für Schritt das Parlament und die Demokratie aus.

Und die Sozialdemokraten schauten zu, wie über ihren Kopf brutale Sanierungsmaßnahmen á la Genf 1923 beschlossen wurden, wie Kinder von rechtsextremen Frontsoldaten und Arbeiter von der reaktionären Polizei niedergeschossen wurden, wie die Heimwehr beschloss, „nach der Macht im Staate zu greifen“, wie die österreichische NSDAP auf einmal Zulauf erhielt, wie Dollfuß, Notverordnungen durchsetzte, wie das Parlament ausgeschaltet wurde, wie die KPÖ verboten wurde und wie der Schutzbund, die Wehreinheit der Sozialdemokratie, aufgelöst wurde und damit die eigenen Anhänger verfolgt und eingesperrt wurden.

Aber nicht alle Anhänger der SDAPÖ blieben still und am 12. Februar setzte sich der Sozialdemokrat Richard Bernaschek zur Wehr, kämpfte gegen Heimwehr und Bundesheer, die Basis der Sozialdemokraten in Wien, Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark erhob sich, unterstützt von illegalen Kommunisten, aber es fehlte an Organisation. So konnte der Aufstand blutig niedergeschlagen werden, nicht zuletzt deshalb weil Dollfuß bereit war, auf bewohnte Gemeindebauten mit Frauen und Kindern drin mit Kanonen und MGs zu schießen und wie wir seit kurzen wissen, streikende Arbeiter zu vergasen. Die Arbeiterklasse wurde besiegt und verlor für lange Zeit die Möglichkeit für ihre Rechte zu kämpfen, die SDAP wurde verboten, ihre Führer wurden inhaftiert oder flohen ins Ausland. 9 führende Schutzbündler wurden hingerichtet, darunter der schwer verletzte Karl Münichreiter, den das barmherzige Christentum der Dollfußregierung auf der Bahre zum Galgen tragen ließ. Die gefallenen Arbeiter erwähnt die Geschichtsschreibung eher beiläufig.

Und was war die Folge, viele Arbeiter sahen nur mehr die Wahl zwischen Dollfuß und Hitler, so dass viele zu den Nazis überliefen, denn obwohl Hitler, die weitaus brutalere Diktatur aufstellte, glaubten viele Sozialdemokraten, die Nazis würden ihnen näher stehen.

Der Fairness halber sei gesagt, Dollfuß hatte auch die NSDAP verbieten lassen, er kämpfte gegen den Nazifaschismus sicher ebenso erbittert wie gegen die Linken. Das kostete ihn letztlich auch das Leben, weil er bei einem Putschversuch der Nazis erschossen wurde. Selbst wenn man ihm bis zu einem gewissen Grad Konsequenz im Kampf gegen die Nazis zugestehen kann, seine Regierung folgte diesem Beispiel ja eher nicht – so wurde beim Einmarsch der Nazis kampflos kapituliert. Und an den Toten des 12. Februar ändert das halt auch wenig.

Ich will hier auch keine moralischen Vorschläge machen, aber so wie man von der Kirche erwartet, sich von der Inquisition und der Hexenjagd zu distanzieren oder von den Kommunisten, die Auseinandersetzung mit Stalin und anderen roten Gräuel, so kann man von der ÖVP doch auch einmal Kritik an Dollfuß erwarten. Denn einer Partei die sich dauernd für die Familie einsetzt, könnte es doch auch wichtig sein, einen Mann zu verurteilen, der keine Skrupel hatte auf Familien mit Kanonen zu schießen. Aber ich hör schon auf, nächstes Mal kommt wieder was Lustiges. Versprochen!