Vor 100 Jahren starb Wladimir Iljitsch Uljanow, den man als Lenin gekannt hat. Dieser Mann begleitet mich jetzt ungefähr seit ich 16 bin. Er war für mich immer eine Vorbildfigur, aber auch ein Schreckgespenst. Viele seiner Ziele habe ich geteilt, seine Methoden dagegen schrecke mich ab und seine Theorien sind nur teilweise brauchbar. Marx war er eben keiner.
Vielleicht hier in 3 Teilen:
Schreckgespenst: Je mehr ich mich mit Lenin auseinandergesetzt habe, desto mehr Charakterzüge und Handlungen entdeckte ich, die mir missfielen. Es scheint sich um einen Kleingeist gehandelt zu haben, der zwar die Welt befreien wollte, dann aber als Gutsbesitzer schon auch mal Nachbarbauern verklagte, weil sie auf seinem Rasen mähte. Er war ein Feigling, der sich gerne verkroch sobald es gefährlicher wurde (nun würde ich ihm dies nicht unbedingt übel nehmen, ich bin Komiker also auch kein Held, aber ich baue auf meinen Ideen eben auch kein Gesellschaftssystem auf). Seine Frau betrachtete er als Kampfgefährtin, aber nicht als liebende Gefährtin. Gleichzeitig holte er sich dann bei Ines Armand seine romantische und sexuelle Befriedigung. Man könnte jetzt mit der freien Liebe argumentieren, aber ich wette die hätte er Nadeshda seiner Frau auch nicht so ohne weiteres vergönnt. Trotzki verglich ihn einmal mit Robespierre. (wobei der in Machtpositionen auch nicht gerade zimperlich vorging). Dass Lenin den Terror als Machtmittel anwendete ist natürlich auch nicht zu übersehen. Und man kann die Kontinuität von Lenin zu Stalin nicht leugnen, wenn man sich davon nicht völlig abwendet. Terror als Machtmittel ist für die beste Idee falsch und muss irgendwann aus der Menschheitsgeschichte verschwinden.
Theorie: Auch wenn der gesamte Marxismus-Leninismus hauptsächlich auf Lenins Thesen aufbaut, ist seine Theorie meiner Meinung nach dennoch überschätzt. Ein paar kluge Gedanken hatte er allerdings schon und gerade seine Anhänger könnten Lenin ein paar Mal wieder studieren. Der Linksradikalismus als Kinderkrankheit des Kommunismus zum Beispiel könnte einigen bekannt vorkommen, aber na ja. Das ganze was man dann liest auch wirklich kritisch zu rezipieren, anstatt es als Religion vor sich her zu tragen, ist von den meisten Linken wohl auch zu viel verlangt. Von der Imperialismustheorie ist glaube ich wenig übrig geblieben, was man verwenden kann, denn die Trennung in einen guten arbeitenden und einen bösen geldzählenden Kapitalismus ist erstens sehr vereinfacht und wurde in anderer Form durchaus auch von den Faschismus aufgegriffen (schaffendes und raffendes Kapital).
Warum er mich dennoch fasziniert: Lenin hat den Versuch unternommen eine Welt zu schaffen, in denen es den Menschen wirklich besser gehen sollte. Er hat das tatsächlich gewagt in einem Land, wo das niemand für möglich gehalten hätte und gegen die Zweifel auch und gerade in den eigenen Reihen. Und so schlimm viele Dinge in der Sowjetunion waren und so wenig es schade um dieses System ist, wurde damit doch die Möglichkeit einer Alternative geschaffen. Und der Sozialstaat im Westen, die Erfolge der Arbeiterbewegung auch bei uns, verdankt sich natürlich dem Kampf der Systeme und dass es die Sowjetunion gab, sei es nur dass diese als Abschreckung diente. Lenin hat auch die eigenen Gedanken immer kritisch hinterfragt und am Ende seines Lebens auch noch mal manches anders machen wollen. Auch wenn eine Wiederholung der Geschichte nicht wünschenswert ist, kann man von Lenin auch heute noch lernen. Und sei es einfach um zu sehen wie man es besser machen kann.