DIE FLEDERMAUS IN DER STAATSOPER – VERSUCH EINER KRITIK

Nach langer Zeit habe ich mir wieder einmal Stehplatzkarten angetan in der Staatsoper. Und da mir die Fledermaus schon als Kind wirklich viel bedeutet hat, war sie die naheliegende Wahl.

Es beginnt schon beim Anstellen interessant zu werden. Außer mir gehen gefühlt nur mehr Touristen in die Oper auf Stehplatz. Die werden dann an den wienerischen Witzen und Anspielungen eine besondere Freude haben, wenn die kein Wort verstehen. Andrerseits vielleicht interessiert die ja auch nur die Musik. Das ist ja so eine Sache, die ich nie verstanden habe, als Schauspieler und Kabarettist bin ich selbstverständlich immer im gleichen Ausmaß auch an der Handlung und wie sie dargestellt wird interessiert. Deshalb hab ich lange Zeit auch die Volksoper vorgezogen, die musikalische Qualität mag schwächer sein, aber meistens ist es halt besser gespielt. Aber es soll eben auch Menschen geben, die nur die Musik interessiert.

Der zuständige Billeteur ist souverän wienerisch genervt, versucht aber sich das hinter seinem furchtbaren englisch nicht anmerken zu lassen. An Höflichkeit haben sie in der Staatsoper übrigens extrem zugelegt. Ich erinnere mich noch an den Kasernenton, den die Billeteure den Stehplatzlern gegenüber früher immer angeschlagen haben. Als ich dann das Ticket besorge merke ich auch warum. Mittlerweile kostet ein Galeriestehplatz 15 Euro. Ich bin einmal um 2 Euro da oben gestanden. Aber die Teuerung macht eben vor nichts halt, schon gar nicht vor der Kultur. Nur für 15 Euro können sie dann auch freundlich sein zu mir.

Bitte es gibt jetzt fixe Stehplätze, das heißt die Rangelei entfällt. Das ist schon sehr praktisch. Kleiner Service wenigstens für die Preissteigerung. So hat man keinen Stress. Ich bin natürlich trotzdem 1 Stunde vor Beginn schon oben. Der neue eiserne Vorhang ist gruslig, aber dafür wenigstens nicht mehr von einem ehemaligen Nazi. Dennoch die toten Augen dieser Figur starren einen die ganze Zeit an. Man ist froh, wenn sich das Ungetüm erhebt. Zwischendurch will ein Billeteur meine Karte sehen und erklärt mir sehr höflich, dass es jetzt auch fixe Stehplätze gibt, nur um dann zerknirscht festzustellen, dass ich eh am richtigen Platz stehe. Das Publikum, welches nun die Ränge füllt, ist im Großen und Ganzen relativ jung, es gehen doch wieder mehr Leute meines Alters ins Theater oder in die Oper. Die Stunde vergeht, es beginnt… noch nicht, denn der Direktor tritt vor die Bühne. In kleinen Bühnen ist ein Auftritt des Direktors oft eine Selbstdarstellung für Menschen, die einmal im Mittelpunkt stehen wollen, aber auf den Staatsbühnen ist der Auftritt des Direktors meistens mit schlechten Nachrichten verbunden und wirklich: Dirigent und Adele sind indisponiert, die Grippe hat zugeschlagen. (Nimm das Corona!) Es gibt aber Ersatz. Da ich die Opernwelt schon länger nicht mehr beobachte, ist mir das aber ohnehin gleich, ich kenn eh niemanden. Dann geht die Ouvertüre los und ich muss sagen, der Ersatzdirigent macht seine Sache gut. Ich habe mir generell vorgenommen im Theater nicht mehr so nörglerisch zu sein. Wenn man selber auf der Bühne steht, ist das eine kleine Berufskrankheit, dass man wenn man mal im Publikum sitzt immer alles besser weiß. Aber ich mach ja auf der Bühne auch nicht immer alles richtig und bin trotzdem froh, wenn das Publikum einfach den Abend genießt. Also will auch ich ein besseres Publikum sein. Vielleicht deshalb oder aber vielleicht auch weil es wirklich eine runde Sache ist, gefällt mir die Vorstellung. Gesungen wird schön, jetzt nicht in einer Form wo ich sage: „oh Gott was für große Stimmen“, aber eben auch nicht so, dass ich sage: „Das will ich nie wieder hören.“ Gespielt wird witzig und durchaus gut, einzig die Sprache ist ein wenig gespreizt, alle setzen sich so auf die Worte drauf, das wienerisch klingt teilweise etwas übertrieben. Da denk ich oft, wenn ihr es nicht könnt, redet doch hochdeutsch. Ich finde das dann oft nicht störend. Aber ich bin schon wieder pingelig. Mimik und Gestik stimmen und ich muss auch ein paar Mal wirklich lachen. Adele gefällt mir extrem gut. Am Anfang wirkt sie ein wenig nervös, sie ist ja auch heute eingesprungen, aber das ist in kürzester Zeit weg und ich amüsiere mich mit ihr. Als Vertreterin der Arbeiterklasse ist sie sowieso immer die Sympathieträgerin in der Geschichte. Und sie macht das großartig, Rosalinde ist mir ein wenig zu gestellt. Sie tut sich mit dem Wienerisch schwer. Ich kenne eine Aufnahme da konnte Rosalinde auch nicht gut Deutsch, man hat das verwendet und ihr einfach einen Migrationshintergrund angedichtet und jetzt ehrlich, das spielt in der K u K-Monarchie, da war Österreich ein Völkergemisch. Also wäre das absolut nachvollziehbar. Und besser als wenn sich Rosalinde durch das Wienerisch quält. Eisenstein ist in Mimik und Gestik überzeugend, in der Sprache etwas zu sehr Opernsänger, der sich aufbläst. Ich meine Eisenstein ist ein Großtuer, aber so groß muss er auch wieder nicht tun. Dr. Blind ist halt einfach eine undankbare Rolle. Er wird nur herumgeschubst und schafft es irgendwie nie dass man Sympathie für ihn aufbauen kann. Und die Stotterwitze sind bei der Figur echt ein wenig grenzwertig. Dr. Falke macht seine Sache so weit gut, hebt mich aber jetzt nicht vom Hocker. Den Witz, dass beim Ball „Schager und Unterreiner“ dabei sein werden, versteh ich erst als ich ins Programmheft schau und merke, ah so heißen die beiden Darsteller von Eisenstein und Dr. Falke – ich kenn echt keinen mehr in der Oper. Mit 12 habe ich mich besser ausgekannt als jetzt.

Alfred gefällt mir gut, obwohl ich es irgendwie süß finde, wenn so Ausdrücke wie „Ciccuri-Gschloder“ verwendet werden und scheinbar der Sänger keine Ahnung hat, was er da grad gesagt hat. Im Publikum scheint auch kaum jemand was damit anfangen zu können und ich – obwohl ich selber nicht mehr die Zeit erlebt habe, wo man aus Zichorien Kaffee gemacht hat – komme mir alt vor, weil ich es weiß.

Gefängnisdirektor Frank ist am Anfang etwas steif, taut aber dann auf und sein dritter Akt ist witzig und gelungen.

Der Chor ist wieder mal schauspielerisch furchtbar und ein gutes Argument, warum man Künstler niemals pragmatisieren sollte, weil das kommt dabei raus. Dafür ist Orlofsky wirklich gut. Im 2. Akt gefällt mir auch Rosalinde besser, die ungarische Gräfin nehm ich ihr ab. Die Fledermaus ist übrigens auch schuld, dass ich Champagner immer als etwas ganz besonderes empfunden habe, genau wie ich dank des Filmes 1900 immer geglaubt hab, Kokain sei etwas Besonderes. Ich habe beides probiert und beides war gleich enttäuschend, sauteuer, geschmacklich nicht aufregend, die Wirkung enttäuschend, die Folgen niederschmetternd. Damn you Fledermaus!

Simonischek schließlich kann den Frosch. Es ist lustig und vor allem er lässt nicht die Hälfte der Pointen am Boden verrecken. Sogar der Kastengag geht auf.

Alles in allem war ich sehr froh mir das angesehen zu haben, denn trotz einiger Kritikpunkte, war es ein vergnüglicher Abend. Vor allem hat man das Gefühl gehabt, dass alle auf der Bühne (mit Ausnahme des Chors) Spaß hatten und das hat sich vermittelt. Vielleicht sieht mich die Staatsoper jetzt wieder öfter – wenn ich mir das leisten kann.