KOMMUNE

Vor 150 Jahren fand in Paris die „Blutige Woche“ statt, bei der die Pariser Kommune blutig niedergeschlagen wurde. Dazu eine kleine von mir verfasste Kurzgeschichte.

Gustave stand mitten in den rauchenden Trümmern jener Stadt, die einmal Paris gewesen war. Es wurde noch gekämpft. Aber es war ein sinnloser Kampf, das wusste auch er. Der Traum von der besseren Welt war ausgeträumt. Die Regierungstruppen würden da schon dafür sorgen. Wo sie gesiegt hatten, da kannten sie keine Gnade. Massenerschießungen gab es in ganz Paris. Und Gustave wusste, dass er früher später auch an einer der Wände von Paris gestellt würde, um erschossen zu werden. Das heißt natürlich, wenn er nicht vorher schon im Kampf umkam. Und das war doch auch irgendwie gerecht, wenn man mit allem gescheitert war, dann musste man seinen rechtmäßig von der Geschichte vorgeschlagenen Platz einnehmen. Man konnte, wenn man das Paradies auf Erden wollte, nur siegen oder sterben. Sterben so wie Marlies, seine geliebte Marlies, die er nicht abhalten konnte auch in den Kampf zu ziehen. Er hatte es versucht, aber sie hatte es sehr deutlich gemacht: „Die Zeit wo ihr Männer uns den Kampf verbieten konntet, die Zeit ist vorbei.“ Es mochte ihm nicht gefallen, aber sie hatte Recht und das war ja auch eines der Dinge für die in der Kommune gekämpft worden war. Und als Gustave, Marlies versucht hatte von ihrem Plan abzubringen, war von ihr gekommen: „Schau mal, wir haben hier drei Möglichkeiten. Wir können nicht kämpfen, dann werden wir elendiglich verhungern, wir können uns eine Kugel fangen oder wir können siegen und endlich die Welt bauen, die wir bauen wollen. In der wir unsere Kinder aufwachsen sehen wollen. Persönlich ist mir die dritte Möglichkeit am Liebsten. Aber bevor es der Hunger wird, fang ich mir lieber eine Kugel.“ Es hatte eine gewisse Logik gehabt was sie sagte. So wie immer, wenn sie etwas sagte. Und so hatte er nachgegeben und dann. Dann hatte sie sich die verfluchte Kugel gefangen. Sie war wohl erst dann zufrieden. Und es war auch klar, Sieg würde das keiner mehr werden. Und dann hatte er sie in seinen Armen gehalten. „Aber… wir haben es gesehen, mein Liebster, wir haben es gesehen, wozu wir Menschen in der Lage sind…. Wir haben eine bessere Welt gesehen und das, mein Liebster, war es wert.“ – „Aber wie soll ich denn ohne dich weitergehen? Wie soll ein Leben denn aussehen, in dem du nicht mehr da bist?“ – „Das war nur eine Schlacht… es wird nicht die letzte Schlacht sein… und dann wird erst das Leben entstehen. Von welchem Interesse ist es da, ob ich zu diesem Leben gehöre?“ – „Es ist von Interesse für mich. Ich will mit dir leben, ich will mit dir sterben.“ – „Oh nein, du kannst allein überleben für später… ich liebe dich… aber ich werde hier nicht mehr gebraucht.“ Damit schied sie dahin, er küsste sie noch einmal auf den kalten Mund, diesen schönen Mund, den er immer so geliebt hatte. Und dann ging er davon. Rein in das rauchende Paris, um dort weiter zu kämpfen oder sich auch eine Kugel zu fangen. Und dabei dachte er an alles, was man erreicht hatte, denn kurz war es besser geworden in diesem Paris. Die Bäckergesellen erhielten das Recht, nachts zu schlafen, denn die Nachtarbeit wurde verboten, Mieten wurden erlassen, wenn sie nicht leistbar waren, verpfändete Gegenstände, wurden zurückgegeben. Das war eine erste Regierung der armen Leute für die armen Leute. Gewählt wurden die, die gearbeitet hatten und wenn sie sich nicht bewehrten, konnte man sie auch wieder abwählen. Die Kirche wurde vom Staat getrennt und das war gut. Gustave machte es nichts aus, wenn jemand Märchen für wahr hielt, aber es sollte eben niemand dazu gezwungen werden. Und aus der Schule sollten die Pfaffen raus, denn die Kinder sie sollten Wissen lernen und nicht Aberglauben. Gustave seufzte bei diesen Gedanken. Wie gerne hätte er es gesehen, dass Marlies die Mutter seiner Kinder geworden wäre. Marlies wäre eine tolle Mutter gewesen und die Kinder wären in diesem Paris der Kommune aufgewachsen. Aber nun war Marlies tot, Marlies war tot und Gustave wollte auch sterben. Sterben im Kugelhagel der Versailler, also der Truppen der französischen Regierung, jener Regierung, die für alles stand, was Gustave und Marlies und all die anderen überwinden wollten. Aber diese Regierung hatte sich als stärker erwiesen. Und Marlies hatte doch recht gehabt, wenn man nicht siegen konnte und nicht Hungers sterben wollte, dann konnte man sich eben nur eine Kugel fangen. Und genau das wollte Gustave. Und so kämpfte er mit den anderen Kämpfern der Kommune…. Und überlebte. Irgendwie überlebte er die blutige Maiwoche und auch die Exekutionen nachher. Und er lebte weiter. Manchmal muss man weiterleben. Er hatte überlebt und er kämpfte weiter. Bis vielleicht eines Tages der Tag der Kommune doch noch kommen würde.