KLUB MARXISTISCHER KATZENFREUNDE 4

Der 1. Oktober war im Klub Marxistischer Katzenfreunde umstritten, die Perserkatzenfreunde, welche ja wie bekannt eher sozialdemokratisch orientiert waren, boykottierten ihn komplett, aber auch bei den sowjetfreundlichen Gruppen (zum Beispiel die Fans der Russisch Blau) wurde der Tag gemieden. Bei den Siamkatzenfreunden dagegen war er äußerst beliebt und stets ein Grund zum Feiern. Warum? Weil es sich um den Geburtstag der Volksrepublik China handelte. Sowjetkommunisten und Sozialdemokraten waren sich da erstaunlich einig, dass man diese maoistische Abweichung nicht unterstützen werde. Von den Maoisten wurden sie dafür stets als „Revisionisten“ bezeichnet.

„Was habt ihr eigentlich mit diesem Wort?“ hatte die Labradorhündin Lala den Kater Adrian gefragt. „So wird man in diesen Kreisen ständig bezeichnet.“ – „Na ja, das ist halt eine Auseinandersetzung mit Menschen, welche die Lehre von Karl Marx verfälscht haben.“ – „Ach du meinst so wie Lenin.“ – „Hör mal! Du übertreibst es mit deinen sozialdemokratischen Phrasen. Bei Lenin ist das was anderes.“ – „Inwiefern?“ – „Nun Lenin hat die Lehre weiterentwickelt, während die Revisionisten den Marxismus hinter das Bürgertum zurück stellen. Und daraus wurde dann die Sozialdemokratie, dieser historische Rohrkrepierer.“ – „Na ja direkt erfolgreich war der Kommunismus ja nun auch nicht.“ – „Noch nicht meine Liebe, noch nicht.“ Adrian begann sich intensiv zu putzen und schob nach: „Wir Kommunisten sind bereit aus unseren Fehlern zu lernen, während die Sozialdemokratie gerade an ihren eigenen Fehlern zu Grunde geht. Kommst du eigentlich zur Chinafeier am 1. Oktober?“ – „Bist du jetzt Maoist?“ fragte Lala und kratzte sich skeptisch. Adrian streckte sich und meinte dann: „Aber wo, ich bin ein undogmatischer Kommunist. Aber die haben bei der Chinafeier immer so eine schmackhafte Ente und da fällt immer was ab.“

Vermutlich war diese Erklärung der Grund warum am 1. Oktober auch Genosse Pericek mit Lala anrückte. Auch Huber war da, der zwar ein Anarchist war, es aber liebte bei der Chinafeier mit Maokritiken zu provozieren. Und natürlich war Genosse Langer anwesend. Er war zwar kein Maoist, aber nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion waren diese Unterschiede seiner Meinung nach bedeutungslos. Wieder hielt er eine flammende Rede und meinte am Ende: „Ich werde jetzt aus der Maobibel vorlesen und die Worte werden euch wohl so mitreißen, dass ihr aufstehen werdet, aus dem Saal rennen und Revolution machen.“ – „Also zum Teil stimm ich dir zu!“ meinte Huber. „Wenn du aus der Maobibel vorliest werden wir aufstehen und aus dem Saal rennen!“ – „Also dein Humor ist auch unterirdisch.“ Schimpfte Langer. – „Wie willst du das beurteilen? Muss man um Humor zu kritisieren, nicht Humor haben?“ – „Also dem muss ich widersprechen. Im Standard stehen regelmäßig Kabarettrezensionen ohne dass die Journalistinnen und Jorunalisten dort im geringsten Humor hätten.“ Mischte sich jetzt Lala ein. – „Du liest den Standard?“ fragte Adrian, der während Langers Rede sanft entschlummert war, aber durch die Diskussion wieder geweckt wurde. – „Ja wenn mir mein Herrli das Fleisch drin einpackt.“ Alle schauten Pericek an. „Du liest den Standard?“ fragte Langer. – „Na ja lesen. Ich hab‘s probiert, bin dabei eingeschlafen.“ Verteidigte sich Pericek. – „Kein Wunder, das ist ein bourgeoises pseudolinkes Blatt.“ Schimpfte Langer. – „Vor allem ist er stinkfad. Da les ich lieber die Presse.“ – „Das ist ja noch schlimmer. Das ist das Zentralorgan der Industriellenvereinigung.“ – „Das wohl.“ Meinte jetzt Kater Adrian, „aber spannender zum Lesen als der Standard ist sie allemal.“ – „Du liest die Presse?“ fragte jetzt Lala. – „Hin und wieder, wenn gerade ein Fisch drin verpackt ist. Apropos wo bleibt die Ente?“ – „Ente!“ freute sich Lala und wedelte aufgeregt mit dem Schwanz. Aber Langer mahnte streng: „Zuerst die Lesung aus der Maobibel!“ Da meinte Adrian: „Bevor ich mir das antue starte ich lieber eine große proletarische Kulturrevolution.“ Und mit einem Satz sprang er auf den Tisch, wo eine Mingvase stand und berührte sie so, dass sie zu Boden fiel und in Scherben brach. „Adrian!“ schrien ein paar Genossen. – „Wer braucht diesen bourgeoisen Kitsch? Wieso ist die überhaupt da?“ – „Das ist ein  Geschenk der chinesischen Botschaft.“ Rief Langer entsetzt. – „Das war ein Geschenk der chinesischen Botschaft.“ Korrigierte Adrian. Lala sprang ihm jetzt bei: „Geschenke von einem Land, das Hunde isst, sind mir sowieso suspekt. Also in dem Fall bin ich für die Revolution!“ Und so begannen die beiden Vierbeiner „Kulturrevolution!“ brüllend alles runter zu schmeißen was chinesisch war. Huber sagte: „Das ist lustig!“ und er packte die Maobüste und warf sie auf den Boden. Obwohl sie aus massiven Marmor war und nichts damit geschah, außer dass sie einen Cut in den Boden schlug, reichte diese Maßnahme um Langer in eine sanfte Ohnmacht zu befördern.

Jetzt tat es aber den beiden Tieren leid, Adrian ging zu dem am Boden liegenden und begann sich an ihm zu reiben und zu schnurren, Langer rührte sich nicht. Darauf stieg er ihm auf die Brust und begann ihn mit den Tatzen zu stupsen, Langer rührte sich nicht. „Lass mich mal!“ meinte jetzt Lala, Adrian trat beiseite und Lala schleckt mit ihrer riesigen Zunge seine Wangen ab und als das nichts nützte berührte Langers Gesicht mit ihrer Tatze. Die 25 Kilo der Labradorhündin zeigten Wirkung, Langer fuhr hoch. Adrian sagte: „Ok, wir waren gerade nicht sehr nett zu dir. Du darfst jetzt aus der Maobibel vorlesen.“ – „Wirklich?“ strahlte Langer, Huber grummelte irgendwas, aber Adrian meinte bestimmt: „Ja, das ist fair! Aber nachher gibt’s Essen.“ – „Einverstanden!“ meinte Langer. Und es wurde die schönste Chinafeier seines Lebens.