ZUR SOZIALDEMOKRATIE

In Deutschland ist Andrea Nahles zurückgetreten, nachdem sie die SPD in das größte Wahldebakel aller Zeiten geführt hat. Andrea Nahles erschien mir ja von Anfang an eine eher zweifelhafte Wahl. Man nehme den Charme von Eva Glawischnig und mixe ihn mit der Intelligenz von H.C. Strache und heraus kommt Andrea Nahles. Nur ist die ja nun nicht das einzige Problem der SPD. Sind wir uns ehrlich, die SPD hat der Gerhard Schröder auf dem Gewissen. Er führte sie zuerst zu ihrem größten Wahlsieg und dann zielsicher in den Untergang, in dem er mit dem Sozialstaat in einer Weise Schlitten fuhr, die sich neoliberale Konservative in ihren feuchtesten Träumen vorzustellen wagen. Die deutsche Sozialdemokratie hat das Problem, dass eigentlich alle Sozialdemokratischen Parteien mittlerweile haben, ihre gemäßigten Ziele sind erreicht, die radikalen haben sie selbst eliminiert. Das heißt nichtsozialdemokratische SPD-Wähler können gleich die Merkel wählen, sozialdemokratische SPD-Wähler wählen Linke, Bobo-SPD-Wähler wählen grün und ungebildete, arme SPD-Wähler wählen AfD. Und von ein paar Rentnern, die sich erinnern wie toll der Willy Brandt war, kann man halt auf die Dauer nicht mehr leben. Kommen wir also jetzt nach Österreich.

Bei den Sozialdemokraten gab es da früher diese Auseinandersetzung Revolution oder Reform. Und Karl Renner war der Meinung: „Des mit der Revolution, des haut bei uns in Österreich nie hin, wir machen was Anderes. Statt Barrikaden und rote Fahnen brauchen wir eine Zeitung, einen Supermarkt und eine Bank.“ Klingt jetzt nicht wahnsinnig revolutionär, war aber gar nicht unclever. Eine Zeitung, in der die Arbeiter objektiv informiert werden, in der sich das Niveau vom Standard mit der Massenwirksamkeit des Österreich mischt, das wäre doch eine gute Sache. Klingt wie eine naive Utopie, aber die Sozialdemokraten hatten so eine Zeitung, sie hieß AZ, Arbeiterzeitung. Die wurde in tausenden Gemeindebauten gelesen, dort wo heute nur mehr Krone zu finden ist, außer bei ein paar – die überhaupt nur Österreich oder Heute lesen. Gut die AZ gibt’s nicht mehr, die wurde 1991 eingestellt.  Dabei hätte sie durchaus noch Leser gehabt, aber sie hat sich nicht mehr gerechnet. Die bisherigen Leser der AZ haben sich dann der KZ zugewendet, der Kronenzeitung und es ist sicher kein Zufall, dass die Stimmenanteile der SPÖ seitdem bei jeder Wahl kontinuierlich purzeln.

Dann gab es den Konsum, der Versuch einer genossenschaftlich verwalteten Lebensmittelkette, wo die Arbeiter quasi ihren eigenen antikapitalistischen Supermarkt hatten. Das mit Antikapitalismus innerhalb des Kapitalismus haut halt nie so ganz hin, aber immerhin gab es im Konsum halbwegs faire Arbeitsbedingungen und gute Preise, ein Cocktail, den du heute ja nirgends mehr findest. Das heißt die Standards haben sich gesenkt, wenn in einem Supermarkt der Kassier dreimal rauchen gehen darf, sagen eh schon alle: „Pfu beim Hofer geht’s den Leuten aber wirklich gut.“ Der Konsum wurde ebenfalls in den 90ern in die Pleite gewirtschaftet und ich erinnere mich noch wie ich mit meinem Vater immer zum Konsum einkaufen gegangen bin, nur um dann eines Tages in einem Spar zu stehen. Als Kind war mir das natürlich noch herzlich wurscht, die Tragweite ist einem ja mit 10 noch nicht so klar, aber meine Oma, eine überzeugte Sozialdemokratin, war Tage lang nicht ansprechbar, weil der Konsum eingegangen ist und sie hat geschworen, sie wählt jetzt nie wieder die Sozialdemokraten, aber bei der nächsten Wahl hat sie es dann wieder getan.

Gut und dann gab es die Bank für Arbeit und Wirtschaft, die Bank, die es sich auf ihre Fahnen schrieb, das Geld nicht zu verspekulieren, sondern es für die kleinen Leute zu verwalten und gegen die kapitalistischen Widrigkeiten zu schützen. Und dieselbe Bawag hat dann dermaßen wild spekuliert, dass es einem kapitalistischen Monster wie der Raika die Schamesröte ins Gesicht trieb. Da hat es dann die SPÖ ziemlich gezaubert. Der ÖGB hat einmal die gesamte Führungsetage auswechseln müssen. Statt Fritz Verzetnitsch wurde Rudolf Hundsdorfer ÖGB-Präsident, man hat also statt dem Bock, den Keiler zum Gärtner gemacht. Hundsdorfer hat dann ja eine große Karriere hingelegt, wie wir wissen, als Sozialminister und dann als Bundespräsidentschaftskandidat, mit dem miesesten Ergebnis, das je ein Sozi bei dieser Wahl einfahren konnte. Ja es ging überhaupt steil bergab mit den Sozialdemokraten.

Die haben eine Fähigkeit, sich selbst in der Regierung zu marginalisieren.

Wobei dann hätte ihnen ja die Opposition entgegen kommen müssen. Klar denkt man sich, blöd daherreden kann jeder. Scheinbar jeder außer die SPÖ. Ich meine da legt ihnen die FPÖ mit der Ibiza-Geschichte quasi einen Elfer auf, die Sozis nehmen Anlauf, rennen an und versenken den Ball im eigenen Tor. Also gut 2007 hat es die SPÖ geschafft eine Regierung zu bilden. Ich hatte damals einen Freund bei der Sozialistischen Jugend und der hat mir ganz begeistert gesagt: „Mit Alfred Gusenbauer werden wir in Österreich den Sozialismus erkämpfen!“ Also wenn man unter Sozialismus einen Staat versteht, der sich in jeden Scheiß einmischt und wo die Spitzenfunktionäre ihre Freunde mit Posten versorgen, dann hat er ja sogar recht gehabt. Wenn man unter Sozialismus die Marx’sche Utopie einer Gesellschaft versteht, ohne Ausbeutung, dann hat er sich wohl kräftig geschnitten. Ich hab es ihm ja damals schon nicht geglaubt und hab ihn ausgelacht, er hat seitdem nicht mehr mit mir gesprochen. Weiß gar nicht was aus dem wurde. SJ-Leute haben meistens zwei Möglichkeiten: Entweder es beginnt die große Karriere bei der SPÖ oder sie bleiben Idealisten, dann sind sie irgendwann komplett verkifft. Wenn ich den Typen mir so vor Augen führe, wie der drauf war, dann glaub ich, dass er große Karriere gemacht hat und total verkifft ist. Das heißt, er ist mittlerweile bei den Grünen. Aber dort kann man mit dem Standard sogar Bundespräsident werden.

Also die SPÖ hat es dann geschafft eine Regierung zu bilden und zwar mit der ÖVP gemeinsam. Vor der Wahl haben SPÖ und ÖVP über den jeweils anderen behauptet, wenn der an die Macht kommt ist das der Untergang Österreichs. Und dann haben sie eine große Koalition gebildet. Ja ich find auch wenn sich beide Katastrophen zusammentun, geht es wenigstens schneller. Wobei nicht einmal das haben die beiden zustande gebracht. Dieses qualvolle Dahinsiechen wird sich wohl noch eine Zeit ziehen. Aber seit damals ging es so richtig bergab. Wie ich bereits erwähnt hatte, nach Schüssel dachte man es könne jetzt nur noch besser werden. Und dann kam Alfred Gusenbauer. Und als der dann mit Österreich fertig war und wir dachten: „Das war der Tiefpunkt“ haben die Sozis Werner Faymann hervorgezaubert.  Und wir haben uns alle über Werner Faymann beklagt, bis er weg war. Und wenn man das erfolgreiche Lavieren seiner Nachfolger betrachtet dann meine ich doch: „Es war nicht alles schlecht unterm Faymann!“ Ich meine Christian Kern und Pamela Rendi-Wagner, das kommentiere ich nicht. Das verhält sich zur Sozialdemokratie, wie die neuen Star Wars Filme zur Originaltrilogie, man weiß es gehört dazu, aber man kann beim besten Willen nicht erkennen, wie sich das ausgehen soll? Deshalb Gerechtigkeit für Werner Faymann. Der war doch immerhin als Sozialdemokrat erkennbar.