Jede Woche traf sich der Klub Marxistischer Katzenfreunde kurz KMK, um die wichtigsten Punkte die auf der Agenda des Themas Weltverbesserung standen zu diskutieren. Dabei standen 2 Punkte immer ganz oben: 1. Besser wird es wenn Katzen an den wichtigsten Stellen installiert werden. 2. Klassenkampf ist nur mehr möglich, wenn man die herzigsten Bilder mit den entzückendsten Kätzchen auf Facebook teilt. Für eine marxistische Gruppe herrschte dort erstaunliche Einigkeit.
Das Bekenntnis zu Lenin fiel relativ leicht, hatte er doch eine Katze gehabt, die in historischen Filmaufzeichnungen verewigt ist, wie sie zuerst von ihm, dann von Nadeshda Krupskaja ihre Streicheleinheiten verlangt und auch durchsetzt. Der große Vorsitzende der Partei und Revolutionär war also auch nur seiner Katze hörig, das Werk der Oktoberrevolution wäre ohne schnurrende Vierbeiner nicht möglich gewesen. Natürlich gab es die üblichen linken Querelen, zumal ein gemäßigter Flügel von Perserkatzenfreunden für eine sozialdemokratische Reform eintrat, die vor allem mit stark felligen Katzen erreicht werden könne. Das wurde von den radikalen (Leninisten, Anarchokommunisten, Siamkatzenfreunde) heftigst bekämpft, aber am Ende blieb man relativ pragmatisch. „Wie sagte schon Genosse Mao: „Es spielt keine Rolle, ob die Katze schwarz oder weiß ist; solange sie Mäuse fängt, ist sie bereits eine gute Katze.“ – „Mit Verlaub, das hat nicht Genosse Mao gesagt. So einen reaktionären Schwachsinn hätte der nie von sich gegeben. Das war Deng Xiaoping und was der aus dem Kommunismus gemacht hat, wissen wir!“ – „Ach bist du jetzt Maoist?“ – „Nein aber China wie es jetzt ist hat wohl kaum etwas mit Kommunismus zu tun oder etwa doch?“ – „Und unter Mao hatte es mit Kommunismus zu tun?“ – „Das ist ja nicht der Punkt! Der Punkt ist, dass Deng Xiaoping die Katze auf repressive Weise auf das Mäusefangen reduziert hat!“ – „Immerhin spielt die Katze in seinen Überlegungen eine Rolle! Mao erwähnt Katzen nicht!“ Na gut ganz so pragmatisch ging es dann wohl doch nicht zu beim KMK, aber spätestens wenn das Bier geöffnet wurde und sich die Gruppe vor dem Computer von Genossen Martin Huber (Anarchokommunist mit bürgerlichem Touch und Halter zweier norwegischer Waldkatzen) sammelte, um niedliche Katzenvideos anzuschauen waren alle Querelen vergessen und es herrschte die flauschige Einheitsfront. So wirklich eine Krise begann im Verein erst, als Genosse Anton Pericek den Antrag stellte, seine Hundedame mit zu nehmen. „Kommt nicht in Frage“ meinte Genosse Otto Langer, für seinen Dogmatismus bekannt, „dieser Verein ist für Katzen und nur für Katzen und Sozialisten.“ – „Ach und Hunde können keine Sozialisten sein?“ – „Nein sie gehorchen zu sehr ihren Autoritäten und haben damit von vornherein in ihren Genen, den Sozialismus nicht zu verstehen.“ – „Das ist biologistischer Rassismus!“ sprang Genossin Karin Winkler, dem Genossen Pericek bei. „Jedes Lebewesen muss dieselben Rechte haben. Auch Hunde können sich entwickeln.“ – „Also bitte wir sprechen hier von Tieren, das kann man nun wirklich nicht nach menschlichen Standards messen.“ Sagte Genosse Stephan Feuchthuber. – „Nun streng genommen sind ja Katzen auch Tiere.“ Das hätte Pericek wohl lieber nicht sagen sollen, denn es folgte eine atemlose fassungslose Stille und alle starten ihn an, als hätte er eben gesagt, das Kapital sei nun wirklich ein sehr mittelmäßiges Buch, das kaum Jemandem etwas bringen würde. Dann fasste sich Hanna Neuberg als erste: „Hast du gerade allen Ernstes Katzen mit gewöhnlichen Tieren verglichen?“ – „Typisch für diese Anarchisten, ihr kennt keine Grenzen.“ Brüllte Langer nachdem er sich gefasst hatte. – „Moment ich bin auch Anarchist und finde, dass diese Aussage zu weit geht.“ Meldete sich jetzt Huber zu Wort. – „Du bist kein Anarchist, du bist Anarchokommunist, da besteht noch Hoffnung.“ – „Was habt ihr aber alle gegen Hunde?“ schrie jetzt Karin dazwischen. – „Ich hab gar nix gegen Hunde, aber sie sind unterwürfig wie Faschisten.“ – „Wenn ein Hund nicht unterwürfig ist, passt es dir auch nicht! Dann ist er nämlich gefährlich!“ – „Sag ich ja wie Faschisten!“ – „Wenn noch einmal Jemand zu meiner Hundedame Faschist sagt, dann kracht‘s!“ schrie jetzt Pericek. – „Keiner redet von deinem Hund, da geht’s ums Prinzip.“ – „Dein Prinzip ist faschistisch!“ – „Du bist faschistisch!“ – „Deine Mutter ist faschistisch!“ – „Warum willst du eigentlich, dass dein Hund Mitglied dieses Vereins wird?“ Verdutzt drehten sich alle um, denn die Stimme kam aus der Ecke und dort saß Adrian, der alte Kartäuserkater, der nominelle Vorstand des Vereins. Was alle so erstaunte, war die Tatsache, dass er die Worte gesprochen hatte. Und Katzen sich in den seltensten Fällen mit menschlichen Lauten zu Wort melden. Adrian war zwar durchaus gesprächig, aber meistens gab er nur ein Schnurren oder Maunzen von sich. Nun sind in linken Kreisen Halluzinationen keine Seltenheit, schon wegen der Substanzen die dort gerne inhaliert werden. Aber dass alle gemeinsam eine Katze reden hören, das kommt dann doch eher selten vor. „Hat die Katze gerade gesprochen?“ fragte Huber etwas verdutzt. – „Bitte ich bin ein Kater, wenn es recht ist.“ Sagte der Kater. „Und ich hätte gerne eine Antwort auf meine Frage.“ – „Hast du was gegen Hunde?“ fragte Pericek etwas verunsichert. – „Nein gar nicht, wenn sie mir nicht dauernd nachrennen. Ich find sie ja eigentlich ganz niedlich, aber hin und wieder gehen sie mir schon ziemlich auf die Nerven. Es sind halt auch Exemplare dabei, die wirklich extrem dämlich sind.“ – „Na ja die gibt es bei Katzen aber auch.“ – „Das will ich jetzt aber überhört haben. Generell sind Katzen intelligenter als Hunde.“ – „Na ja Moment man kann Hunden Tricks beibringen, sie gehorchen, wenn man ihnen Befehle gibt…“ – „Ja eben, welches halbwegs intelligente Lebewesen macht so was?“ Adrian streckte sich zufrieden. „Aber nimm deine Hündin mit, werde mich schon mit ihr arrangieren.“ Dann rollte er sich wieder ein sagte den restlichen Abend nichts mehr.
Es wurde bei den nächsten Sitzungen nicht mehr darüber gesprochen. Aber irgendwie blickten bei jeder Diskussion immer alle den Kater an, der aber wenig Anderes tat, als sich zu putzen oder hoffnungsvoll um das Bein eines Mitglieds zu streichen, wenn dieser etwas aß. Man einigte sich schließlich darauf, ohne es auszusprechen, dass man vielleicht doch hätte weniger kiffen sollen. Pericek traute sich allerdings nicht seine Hündin mit zu nehmen, irgendwie hatte er das Gefühl, da würde irgendwas noch nicht ausgesprochen sein. So fanden die nächsten Sitzungen wieder wie gewohnt statt. Man diskutierte über das Kapital und Katzenfutter, Marx und Mietzen, Lenins Revolution und lustige Katzenvideos, bis eines Tages Kater Adrian fragte: „Was ist jetzt eigentlich mit dieser Hündin? Lerne ich die jetzt einmal kennen oder was?“